lxs hermanxs

participatory and performative art collective
colectivo artístico participativo y performativo

projects

2024 Künstlerhaus Vereinigung – Factory

Queer Tango Factory – Ein Produktionsraum
Kollektives Entdecken und Produzieren von Spielräumen

Programm in English

Das neoliberale, patriarchale System dominiert alles. Es steuert, es formiert, es hierarchisiert, es segregiert.
Es gibt gleichlaufende Zeitenläufe vor und verbietet andere Geschwindigkeiten.
Es stellt einheitliche Räume zur Verfügung und verschliesst Eingänge in vielfältige Räume. Das System erhält sich durch ein binäres Denken, dessen Grundmuster die Binarität des Drinnen/ Draussen ist. Drinnen bedeutet, in der Vereinheitlichung unterzugehen, dafür dem System nützlich zu sein. Über einen Raum für Vielfalt, in dem das Entweder-oder der Binarität obsolet geworden ist, verfügt das System nicht – im Gegenteil, das System verhindert den Zustand der Vielfalt, denn Vielfalt lässt sich nicht steuern.

Vielfalt. Mannigfaltigkeit. An und für sich eine menschliche Grundgrösse. Alle unterscheiden sich voneinander. In dieser Unterschiedlichkeit sind wir aufeinander bezogen. Das System zwängt uns jedoch in historisch-ökonomisch-politisch forcierte Klassifikationen wie Geschlecht oder ethnische und soziale Herkunft. Das System erlaubt lediglich Entsprechungen entlang dieser Klassifikationen und verbietet auf diese Weise vielfältige Bewegung und demnach mannigfaltigen Ausdruck.

Diversitätsbewegungen greifen diese grundsätzliche Differenz auf, um die Zeitenläufe und Räume zu verändern, die Zugänge schaffen und Teilhabe stiften. Das System ist jedoch rasch und integriert gewissermassen hinterrucks die Diversität in seinen eigenen Funktionsmodus. Es diversifiziert die möglichen Identitäten. Es formiert divers vereinheitlichend entsprechend der ökonomisch-politischen Anforderungen. Es segregiert diversifizierend durch die Anforderung, sich in eine dieser systematisch erfassbaren Identitäten hineinzupressen, die schon für den Systemerhalt aufbereitet sind.

Das System erhalten wir, jede* Einzelne, indem wir es reproduzieren: Wir passen uns hier an, obwohl wir eigentlich dagegen sind. Wir halten da den Mund, obwohl wir eigentlich etwas zu sagen hätten. Wir plappern dort etwas nach, obwohl wir eigentlich anders denken. Wir tun immer das Gleiche, obwohl wir einen Impuls hätten, anders zu handeln. Das System dominiert, steuert, formiert und segregiert. Und wir passen uns immer wieder ein. Wir folgen den immer gleichen Praktiken.

Leben ist körperliche Bewegung. Wir können nicht anders, als uns zu bewegen und auf diese Art unsere Gemeinschaft(en) zu gestalten und Bezüge zueinander herzustellen. Über Bewegung erst ist uns Sinn zugänglich, über Bewegung schaffen wir Bedeutungen, die uns Orientierung geben. Doch selbst Bewegung ist systematisch eingeschränkt. Wir dürfen uns nicht nach all den Möglichkeiten, die unseren Körpern zur Verfügung stehen, bewegen, denn das subvertiert die Klassifikationen.

Die Auswirkungen der neoliberal und patriarchal systematisierten Formierung ist, dass die Möglichkeiten des körperlichen Ausdrucks der Einzelnen eingeschränkt werden. Bewegung wird eingeengt, was gleichbedeutend damit ist, dass Leben eingeengt wird. Die Formierung presst in Formen, aus denen auszubrechen wir verlernt haben. Wir haben gelernt, unsere Bewegungsimpulse zu unterdrücken. Es herrscht ein Verbot, das bei Übertritt, wenn schon nicht verbal kommentiert, doch zumindest spürbar mit einem Augenrollen abgekanzelt wird – und

letztlich die Segregation vorantreibt. Gleichzeitig lässt es Bewegungen zu, die uns im 21. Jahrhundert erschaudern lassen sollten – all jene Bewegungen zB, die die toxische Männlichkeit immer noch als Erfolgsmodell in unseren Gesellschaften verankert.

All das mag auf den ersten Blick klar sein, auf den zweiten Blick etwas irritierend, denken manche doch anders, als sie meistens tun. Unsere Lebensvollzüge sind letztlich systematisierte Praktiken, in denen wir sozialisiert wurden und in denen weitaus mehr vorzufinden ist, als uns im dynamischen Tun bewusst sein mag.

Das bedeutet, wir reproduzieren ein Repertoire, in dem zwar Diversität Platz finden mag, die Hierarchien und Anforderungen unseres Zusammenlebens aber spielen nach wie vor eine oft nicht wahrgenommene, prägende Rolle, die sich etwa in institutionellen Abläufen manifestiert und jene politisch-ökonomische Dynamik erzeugt, die für einen grossen Teil dieser klassifizierenden Segregation verantwortlich zu machen ist.

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